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Corona

Krise für die deutsch-französische Freundschaft?

Einleitung

Die Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich, die nach dem 2. Weltkrieg entstanden ist, gilt als einzigartig und besonders angesichts dessen, dass die beiden Nationen sich bis dahin immer wieder in Kriegen als „Erzfeinde“ gegenübergestanden hatten. Nach dem 2. Weltkrieg haben die beiden Länder es trotzdem geschafft, sich anzunähern, sich zu versöhnen, sich gegenseitig kennenzulernen und diese besondere Freundschaft aufzubauen. Heute gelten Deutschland und Frankreich als gemeinsamer Motor Europas. Und auch zwischen Deutschland und Luxemburg sind über die Jahre enge Beziehungen entstanden und gerade das Saarland, das sowohl an Frankreich als auch an Luxemburg grenzt, hat durch seine Lage enge grenzüberschreitende Beziehungen zu den beiden Nachbarn aufgebaut.

Doch wie fragil ist diese Freundschaft in Krisenzeiten?
Nachdem im März 2020 die Grenzen von Deutschland aus zu Frankreich und Luxemburg wegen der Corona-Pandemie geschlossen wurden, heizte sich die Stimmung im Grenzgebiet stellenweise schnell auf. Es kam zu etlichen Vorfällen, bei denen Grenzgänger aus Frankreich und Luxemburg schlechte Erfahrungen mit ihren deutschen Nachbarn erlebten, angefeindet und beschimpft wurden und sich teilweise auch von der Bundespolizei an den Grenzübergängen schikaniert fühlten.
U.a. Bürgermeister dies- und jenseits der Grenze sahen schon früh eine Gefahr für die deutsch-französische Freundschaft, die seit dem 2. Weltkrieg mühevoll aufgebaut worden war. Sie versuchten mit Appellen wie „Die Grenzen schließen sich, aber nicht unsere Herzen“ der Stimmungsmache entgegenzutreten.
Wie sehr hat die Corona-Krise letztlich unsere deutsch-französischen und deutsch-luxemburgischen Beziehungen belastet und was sagt das über die Qualität unseres nachbarschaftlichen Zusammenhalts aus?

Corona

Ärzte in Schutzanzügen behandeln einen Patienten im Krankenhaus «Zhongnan» der Universität Wuhan (Foto: picture alliance/dpa/XinHua | Xiong Qi)
Der Virus bricht aus

Im Dezember 2019 registrieren chinesische Behörden eine unbekannte Lungenerkrankung. In der Millionen-Stadt Wuhan häuften sich Fälle einer rätselhaften Lungenentzündung. Anfang Januar wird der Erreger als das neuartige Coronavirus identifiziert.

Medizinisches Notfallpersonal in Frankreich transportiert einen Patienten, der mit dem Coronavirus infiziert ist (Foto: picture alliance/dpa/AFP | Sebastien Bozon)
Erste Fälle in Frankreich

Am 24. Januar 2020 wird das Virus erstmals in Europa nachgewiesen - und zwar in Frankreich. Zwei Menschen haben sich bei einer Chinareise angesteckt. Später stellt sich heraus, dass das Virus vermutlich bereits Ende Dezember Frankreich erreicht hatte. Die Probe eines Patienten mit Lungenentzündung wurde in einem französischen Krankenhaus nachträglich positiv auf das Coronavirus getestet.

Informationen über das Coronavirus sind am Flughafen München auf einem Info-Display im Ankunftsbereich zu sehen (Foto: picture alliance/dpa | Sven Hoppe)
Erster Patient im Saarland

Am 27. Januar wurde der Virus das erste Mal bei einem Patienten in Deutschland festgestellt. Am 2. März wurden gleichzeitig in Luxemburg und in Lothringen die ersten Corona Fälle bestätigt. Einen Tag später, am 3. März, dann folgte der erste bestätigte Corona-Fall im Saarland. Ein Oberarzt am UKS (Universitätsklinik des Saarlandes) in Homburg hatte sich vermutlich auf einem Ärztekongress in Frankfurt angesteckt.

Medizinisches Personal liefert einen Coronavirus-Patienten im Krankenhaus Straßburg ein (Foto: IMAGO/PanoramiC)
Dramatische Situation in Grand Est

Die Situation in Grand Est und vor allem im Südelsass entwickelte sich dramatisch. Das Coronavirus breitete sich immer schneller aus, die Kliniken kamen an ihre Grenzen. Es fehlte an Personal, an Betten und an Beatmungsgeräten. Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron verkündete am 16. März eine Ausgangssperre und ein Notprogramm für die Wirtschaft. Insgesamt sechs Mal sagte Macron „Wir sind im Krieg“.

Grenzschließungen

Rote Polizeikelle vor einem Grenzschild zu Deutschland (Foto: picture alliance/dpa | Uli Deck)

Am 16. März 2020 schloss Deutschland die Grenzen. Um die Ausbreitung des Coronavirus auszubremsen wurde der Grenzverkehr zu Frankreich, Luxemburg, Österreich, Dänemark und der Schweiz ab dem Tag stark eingeschränkt. Reisen ohne triftigen Grund waren ab dem Zeitpunkt zunächst nicht mehr möglich.

Das Saarland war durch die beiden Grenzen zu Frankreich und Luxemburg doppelt betroffen. Das Robert-Koch-Institut (RKI) hatte die gesamte französische Region Grand Est am 11. März als Risikogebiet eingestuft. Gleichzeitig wurde in Grand Est eine Ausgangssperre verhängt.

Die Bundespolizei beorderte eine Hundertschaft ins Saarland und begann die 35 offiziellen Grenzübergänge zu kontrollieren. Warenverkehr und Berufspendler konnten die Grenze weiter passieren, auch Urlauber durften heimkehren.

Gerade in der Grenzregion wurden dadurch auch Familien auseinandergerissen und die Krise brachte einige Schattenseiten der Menschen zum Vorschein. Es kam zu Anfeindungen und Ressentiments gegenüber Grenzgängern, Franzosen und Luxemburgern. Aber es gab auch eine große Welle der Solidarität.

"Entscheidung ohne Rücksprache"

Die Entscheidung, die Grenzen einseitig zu schließen, kam nicht nur sehr plötzlich und ohne Absprache, sie wurde auch vor allem in Lothringen sehr negativ aufgenommen.

"Wir waren sprachlos"

Nach der ersten Sprachlosigkeit stellte sich in Frankreich die Frage, wie ein Virus durch eine Grenze aufzuhalten sein soll. Dazu kamen die Probleme für die Grenzgänger.

"Wir machen hier etwas kaputt, was gewachsen ist"

Jean Asselborn fand im April 2020 klare Worte für die einseitigen Grenzschließungen: "Wenn das zu lange dauert, dann zweifeln die Menschen nicht nur an der Politik Deutschlands oder Luxemburgs oder Frankreichs, sondern sie zweifeln an dem, was wir aufgebaut haben, was Europa und was präziser Schengen heißt."

Ärger über die Entscheidung

"Die erste Reaktion war schon Ärger", beschreibt Christophe Arend die Stimmung in Lothringen zusammen. Viele der Pendler aus Lothringen arbeiten in Krankenhäusern im Saarland. Sie mussten lange Umwege fahren, um ins Krankenhaus zu kommen, um dort gegen die Pandemie zu kämpfen. "Lange Umwege hin, lange Umwege zurück, und Stau an der Grenze. Das fand ich damals nicht sehr intelligent."

Ein Interview mit Christophe Arend, Forbacher Kommunalpolitiker und Abgeordneter der französischen Nationalversammlung.

Die Folgen

Beamte der Bundespolizei kontrollieren ein französisches Fahrzeug, das von Petite-Rosselle (Frankreich) nach Grossrosseln fahren will (Foto:  picture alliance/dpa | Oliver Dietze)

Von der Coronapandemie war Lothringen besonders betroffen. Seit Beginn der Coronakrise und den Grenzschließungsmaßnamen hat die Kultur des Miteinanders zwischen Deutschland und Frankreich und zwischen Deutschland und Luxemburg zum Teil sehr gelitten. Vor allem in der Grenzregion wurden Ressentiments gegen die Nachbarn aus Lothringen wieder spürbar. Die plötzlichen Grenzkontrollen hatten für Emotionen gesorgt, außerdem Minister, die sich im Ton vergriffen haben. Viele Lothringer fühlten sich herabgesetzt.

Dazu kamen die Angst der Pendler um ihre Arbeitsplätze, der Unmut über die langen Staus an den Grenzen, die spürbaren Auswirkungen auf die lokale Wirtschaft und die Kultur. Normalerweise füllen Zehntausende von Pendlern aus Frankreich und Luxemburg und sogar Belgien die saarländischen Innenstädte und sorgen für Millionenumsätze. Diese Umsätze blieben mit Sperrung der Grenzen und der Lockdowns aus. Gemeinsame grenzüberschreitende Kulturprojekte wie das Festival Perspectives mussten abgesagt werden.

Schatten auf der Freundschaft

Immer wieder wurden Grenzgänger aus Lothringen beschimpft, wenn sie ins Saarland kamen.

Gefühl der Ablehnung

Mit Schließung der Grenzen herrschte aus Sicht der Lothringer schnell ein Gefühl der Feindseligkeit seitens der Deutschen. Dazu kam der Vorwurf, dass die Franzosen den Virus verbreiten würden. Zu diesem Zeitpunkt war das Coronavirus in Lothringen tatsächlich viel weiter verbreitetet als im Saarland. Die Grenzgänger hatten das Gefühl, abgelehnt zu werden.

Ein Interview mit Cécile Soulé, Stellvertretende Chefredakteurin, France Bleu Lorraine Nord

Viele Fehler seitens der Politik

Was lief falsch bei den Grenzschließungen und im Vorfeld? Woher kam die "Sündenbockmentalität"? Waren die Beschimpfungen an der Grenze bedauernswerte Einzelfälle oder existieren immer noch alte Ressentiments?
Ein Interview mit Dr. Philipp Krämer, Dozent an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder.

"Nicht nur an einer Zahl orientieren"

"Wir müssen höllisch aufpassen, dass wir uns nicht nur an einer Zahl orientieren: ob 50, 35 oder 10. Wir machen in Luxemburg siebeneinhalb Mal mehr Tests als durchschnittlich in Deutschland. Die Franzosen machen doppelt so viele Tests wie Deutschland. Wir können nicht zwei Länder miteinander vergleichen, wenn das eine Land siebeneinhalb Mal öfter testet als Deutschland. Da muss man irgendwo einmal im Robert-Koch-Institut und in den Ministerien in Berlin diese Fakten anerkennen."

Ein Interview mit dem Luxemburger Außenminister Jean Asselborn.

Hervé und Helmut - Freundschaft in Zeiten von Corona

Hervé Kieffer und Helmut Zinsmeister  vor dem  Café de la Paix (Foto: Felix Schneider)

Seit über 20 Jahren pflegen der Deutsche Helmut Zinsmeister und der Franzose Hervé Kieffer ihre Freundschaft. Normalerweise kommen sie Jeden Freitag direkt an der Grenze im Café de la Paix in Grosbliederstroff zusammen und reden bei einem Aperitif über "Gott und die Welt". Wegen Corona haben sie ein Jahr verloren, sagen sie. Beide haben noch die Zeit der Grenzen in Europa erlebt und beide dachten, dass es nie wieder Schlagbäume zwischen Deutschland und Frankreich geben würde. Wegen der Grenzschließung und deren Folgen sind sie sehr enttäuscht von den regionalen Politikern dies- und jenseits der Grenze.

Der Baguetteangler

Der Baguetteangler Hartmut Fey (Foto: SR)

Not macht erfinderisch.

An der Grenze zwischen Lauterbach und Carling ist er zu Hause: Der "Baguetteangler" Hartmut Fey, dessen Video um die ganze Welt ging. Als die Grenzen geschlossen waren. Als die Grenzen geschlossen waren, konnte er nicht wie gewohnt zu seiner französischen Bäckersfrau Myriam über die Grenze gehen und sein Sonntags-Baguette holen. Also ließ er sich etwas einfallen und angelte sein Brot herüber, ganz legal und mit Hygieneabstand.

Solidarität

Covid-Patient aus Metz wird in einem deutschen Rettungshubschrauber transportiert (Foto: picture alliance/dpa | Marcel Kusch)

Ein wichtiges Signal der Solidarität war das Angebot des Saarlandes, schwer erkrankte Patienten aus Frankreich zu behandeln.

Als die lothringischen Krankenhäuser an ihre Kapazitätsgrenzen gestoßen waren, nahmen Kliniken im Saarland im Frühjahr 2020 insgesamt 28 französische Patienten auf.

Als sich die Situation im Herbst wieder verschlimmerte, folgten im November weitere Patienten.

Der 1. französische Patient

Daniel Philippe, war der erste infizierte Lothringer, der im Saarland behandelt wurde. Davor war er im Krankenhaus in Saargemünd mit Covid 19 und Lungenversagen ins Koma gelegt worden. So wurde er ins Winterbergkrankenhaus verlegt, da die Kapazitäten in Frankreich erschöpft waren.

"Eine starke Geste"

"Ich denke, dass nicht alles in Bezug auf Deutschland, in Bezug auf die deutsch-französischen Beziehungen und die Freundschaft negativ war. Es war in der Tat eine starke Geste, französische Patienten aufzunehmen – das wurde in Frankreich sehr wertgeschätzt. Wohlwissend, dass unsere Krankenhäuser, unsere Intensivstationen im Frühjahr überlastet waren."

Ein Interview mit Cécile Soulé, Stellvertretende Chefredakteurin, France Bleu Lorraine Nord

Positive Initiativen

Neben der Hilfe für Notfallpatienten aus Frankreich gab es weitere Signale der Solidarität und positive Initiativen wie das Video der 19 saarländischen Bürgermeister, die Grüße an ihre französischen Partnerstädte gesendet hatten. "Das half ein bisschen dabei, die Spannungen der letzten Monate zu vergessen".

Ein Interview mit Françoise Erb, Redakteurin France 3, Grand Est.

"Das Positive hat überwogen"

Dies- und jenseits der Grenzen haben die Menschen sich gegenseitig unterstützt und die Länder haben in der Krise im Gesundheitsbereich kooperiert. "Das zeigt, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, dass wir zusammengehalten haben, tatsächlich Leben gerettet hat und das ist auch eine emotionale Erkenntnis des vergangenen Frühjahrs." Ein Interview mit Roland Theis, Europabevollmächtigter des Saarlandes.

Was bleibt?

Deutsche, europäische und französische Flaggen am Place de l‘ amitié in Grosbliederstroff  (Foto: IMAGO/Hans Lucas)

Die einseitigen Grenzschließungen seitens Deutschland waren für viele Franzosen und Luxemburger eine emotionale Belastungsprobe. Es entstand der Eindruck der Zurückweisung, als könne das Virus an der Grenze aufgehalten werden, wobei es längst zum weltweiten Problem geworden war. Es gab zwar auch Verständnis für die Maßnahmen, allerdings hätte man sich vor allem einen besseren Austausch und gemeinsame Abstimmung gewünscht. Sollten die Grenzen noch einmal geschlossen werden, würde es die Zerreißprobe für die Beziehungen zwischen Deutschland, Frankreich und Luxemburg und für die europäische Idee bedeuten.

Prof. Dr. Tanja Michael, Klinische Psychologie und Psychotherapie (Foto: SR)

Tanja Michael, Professorin für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Saar-Uni: "Man hätte sich eine bessere Kommunikation und mehr Augenmaß gewünscht. Glücklicherweise gab es viele Zeichen von Einzelpersonen, dass die Grenzschließungen bedauert wurden und man sich trotz Pandemie freundschaftlich verbunden fühlt. (…)

Ich gehe nicht davon aus, dass die Freundschaft langfristig durch die Grenzschließungen beschädigt ist. Dafür sind die Verbindungen zu eng und die Verflechtungen in der Grenzregion zu zahlreich. Allerdings ist es wichtig, dass das weitere Vorgehen bezüglich Maßnahmen zur Bekämpfung dieser oder folgender Pandemien besser abgesprochen wird. Dass die Grenzen in der zweiten Welle offen blieben war wichtig, und hat den Menschen Vertrauen zurückgegeben."

Nachhaltiger Schaden?

Haben die Grenzschließungen von 2020 der deutsch-französischen bzw. der deutsch-luxemburgischen Freundschaft nachhaltig geschadet?

Ein Interview mit Dr. Philipp Krämer, Dozent an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder.

Heute auf morgen kann sich alles ändern

Das Vertrauen der Menschen in die Politik ist sichtlich beschädigt. Die Grenzen können jederzeit wieder geschlossen werden.

Ein Interview mit Françoise Erb, Redakteurin France 3, Grand Est.

Ist die Frankreichstrategie gescheitert?

Wie ist es mit der vielbeschworenen Frankreichkompetenz der Saarländer bestellt? Beschränkt sich die "Frankreich-Strategie" des Saarlandes nur auf wirtschaftliche Aspekte oder schafft sie es, die zwischenmenschlichen Beziehungen der beiden Länder zu verbessern?

Ein Interview mit Dr. Philipp Krämer, Dozent an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder.

Ressentiments mit Vernunft begegnen

"Ältere Menschen konnten sich daran erinnern, als diese Grenzen geschlossen waren, als diese Brücken zerschlagen wurden. Wenn die sahen, dass da jetzt Polizei auftritt, dann konnten Ressentiments hochkommen. Aber ich glaube, auf beiden Seiten haben wir versucht – auf jeden Fall die vernünftigen Menschen, dass das nicht 'hochgekocht' wird."

Ein Interview mit dem Luxemburger Außenminister Jean Asselborn

Krise als Chance

Brücke der Freundschaft zwischen Kleinblittersdorf und Grosbliederstroff (Foto: Oliver Dietze/dpa)

Die Coronapandemie hat auch gezeigt, wie eng die Länder Deutschland, Frankreich und Luxemburg eigentlich zusammenarbeiten. Die grenzüberschreitenden Verflechtungen sind über die Jahre immer intensiver geworden. Neben den wirtschaftlichen und politischen Beziehungen sind viele gemeinsame Aktivitäten dies- und jenseits der Grenzen entstanden durch persönliche Kontakte, Freundschaften, gemeinsame Organisationen, Vereine, Netzwerke und Initiativen. Dass die Grenzschließungen einen Dämpfer für die guten Beziehungen bedeuteten, war deutlich. Was kann man aus den Fehlern lernen?

Zukünftig mehr Dialog und Zuhören

"Was wir daraus lernen können, ist alles was schließlich beim zweiten 'confinement', während der zweiten Welle der Epidemie im Herbst, getan wurde: Dialog, Beratung, Vorbereitung und Zuhören. Man hat gesehen, dass wir in Frankreich und in Deutschland nicht die gleichen Abläufe haben: Viele Entscheidungen wurden manchmal außerhalb der Regionen, also in Berlin oder Paris, getroffen. Die lokalen Mandatsträger auf beiden Seiten, im Saarland und in Lothringen – haben darum gebeten, mehr in die Entscheidungen einbezogen zu werden, die auf nationaler Ebene getroffen werden."

Ein Interview mit Cécile Soulé, Stellvertretende Chefredakteurin, France Bleu Lorraine Nord

Lernen aus den Fehlern

Was können die Menschen diesseits und jenseits der Grenze tun, um so einen Einschnitt zukünftig zu vermeiden?

Ein Interview mit Françoise Erb, Redakteurin France 3, Grand Est.

"Darf sich nicht wiederholen"

Die neu aufgetretenen und sich schnell verbreitenden Virus-Mutationen geben zurecht Anlass zur Sorge. Bei allen notwendigen Maßnahmen warnt Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn jedoch davor, den Grenzverkehr in der Region wieder massiv einzuschränken. "Sonst hat Covid Europa in den Köpfen der Menschen bezwungen. Es darf sich nicht wiederholen. Wir sind hier zusammengewachsen wie nirgendwo sonst in Europa. Und dann auf einmal zu sagen: Jetzt haben wir keine andere Lösung, als die Grenzen wieder zu kontrollieren oder Quarantäne umzusetzen. Das wird nicht akzeptiert werden vom Volk."

Ein Interview mit dem Luxemburger Außenminister Jean Asselborn.

Zusammenrücken in der Krise

"Auf politischer Ebene würde ich sagen, dass es uns näher aneinandergerückt hat und den deutsch-französischen Dialog viel dichter gemacht hat. Für mich ist der 'gemeinsame Lebensraum' wichtig. Wir haben hier in Moselle-Est, dem Saarland und Rheinland-Pfalz einen gemeinsamen Lebensraum. Und den wollen wir nachhaltig gestalten, wir wollen hier gemeinsam die Herausforderungen der Zukunft überwinden."

Ein Interview mit Christophe Arend, Forbacher Kommunalpolitiker und Abgeordneter der französischen Nationalversammlung.

Die Grenze

Grenzfenster bei Leidingen (Foto: SR/Ulli Wagner)

"Mitten auf der Straße habe ich die Grenze gefunden. Was hatte die da verloren?" Tja, was hat die da verloren, fragt der Lyriker und Filmemacher Alfred Gulden nicht nur in seinem Gedicht "Die Grenze", dessen Publikation und Nutzung er uns freundlicherweise erlaubt hat.

Mitten durch das kleine Dörfchen Leidingen im Saargau verläuft die deutsch-französische Grenze. Und hier findet sich auf dem Grenzblickfenster hinter der Kirche diese Schlusspassage aus dem dreisprachigen Gedicht "Die Grenze" von Alfred Gulden aus dem Jahre 1979 – und zwar jeweils auf moselfränkisch und in den offiziellen Landessprachen deutsch und französisch.

De Grenz

Van ween Europa!
Dat es denn Ais!
Dääa eascht woo dòò
Fäscht drofdreet,
Dääa brächt en!
Un dòch, dòch, dòch!
En Aanfang muß et gen!
Sonscht fend dii Dommhätt
Kääme Änn! Aam Änn
Gewennt se nòch!
(Wii emma...)
Am hällen Dach
Metten of da Gass
Han aich de Grenz
Gefon.
Wat hòtt dii dòò
Valooa?

Die Grenze

Von wegen Europa!
Das ist dünnes Eis!
Der erste der
Fest drauftritt
Der bricht ein!
Und doch, doch, doch!
Einen Anfang muss es geben!
Sonst findet die Dummheit
Kein Ende mehr! Am Ende
Gewinnt sie noch!
(Wie immer...)
Am helllichten Tag
Mitten auf der Straße
Habe ich die Grenze
Gefunden.
Was hatte die da
Verloren?

La frontière

Penses-tu, l´Europe!
C´est de glace si mince!
Le premier qui
marche dessus
de tout son poids s´enfonce.
Et malgré tout!
Il faut qu´il y ait un début!
Sinon la bêtise sera sans
Fin! Elle finira
Par gagner quand-même!
(Comme toujours ...)
En plein jour
Au beau milieu de la route
J´ai trouvé
La frontière.
Qu´y avait-elle
Perdu?